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Vorwort

Im Jahre 1825 entwickelte der blinde Franzose Louis Braille die nach ihm benannte tastbare Punktschrift. In diesem System werden die Zeichen (Buchstaben, Ziffern, Satz- und Sonderzeichen) aus bis zu sechs Punkten gebildet. Ihre Bedeutung ergibt sich aus Anzahl und Stellung der Punkte in der aus drei Zeilen und zwei Spalten bestehenden Grundform.

Nachdem sich diese Schrift in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allgemein als Blindenschrift durchgesetzt hatte, wurden um die Jahrhundertwende erste Kurzschriftsysteme entwickelt, um den Schreib- und Lesevorgang wesentlich zu beschleunigen und den großen Umfang der Blindenschriftliteratur zu reduzieren.

In den Jahren 1920-25 legte Carl Strehl die erste systematische Darstellung der deutschen Blindenvoll- und -kurzschrift auf der Basis der 1904 vereinbarten Kürzungsregeln vor.

Dieses Schriftsystem behielt seine Gültigkeit bis 1971. Die 1971 von der Arbeitsgemeinschaft der Kommissionen zur Reform der deutschen Blindenkurzschrift vereinbarten Änderungen dienten der Vereinfachung, passten den Kürzungsbestand an die Entwicklung der deutschen Sprache an und änderten das Regelwerk so, dass eine Konvertierung von Texten in die deutsche Blindenkurzschrift mit einem Computerprogramm möglich wurde. Dies alles geschah vor dem Hintergrund, dass das bis dahin erstellte Schriftgut in Zukunft auch von Personen problemlos gelesen werden kann, die nur die reformierte Kurzschrift erlernt haben. Die reformierte Blindenvoll- und -kurzschrift wurde, wie andere Lehrwerke, in der Reihe „Marburger Systematiken der Blindenschrift“ veröffentlicht (vgl. Literaturhinweise im Anhang C).

Nach kleineren Ergänzungen im Jahre 1984 wurde 1996 die „Brailleschriftkommission der deutschsprachigen Länder“, der Anwender, Blindenpädagogen, EDV-Fachleute, Vertreter der Blindenselbsthilfeverbände und der Blindenschriftdruckereien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angehören, vom Deutschen Blindenverband zusammengerufen. Sie übernahm es in den beiden letzten Jahren, den Kürzungsbestand und das Regelwerk an die neuen deutschen Rechtschreibregeln anzupassen und gleichzeitig den modernen Entwicklungen im Bereich der Schrift der Sehenden Rechnung zu tragen. Auch diesmal musste streng darauf geachtet werden, dass das vorhandene Schriftgut für Neueinsteiger lesbar bleibt. Im Bereich der Rechtschreibreform erwiesen sich die Änderungen der Schreibung von ss und ß als am gravierendsten, zumal noch die abweichende Schreibweise in der Schweiz – man schreibt immer ss – berücksichtigt werden musste. Außerdem wurden

  • eine einheitliche An- und Abkündigungstechnik für besondere Schreibweisen,
  • Techniken zur Kennzeichnung von Hervorhebungen innerhalb von Wörtern,
  • die Möglichkeit der Abbildung der 256 Zeichen der 8-Punkt-Computer-Brailleschrift auf die 64 Zeichen der 6-Punkt-Brailleschrift und
  • eine verkürzende Technik zur Wiedergabe von Dezimalklassifikatoren in das System eingebunden.

Für wertvolle Vorarbeiten dankt die „Brailleschriftkommission der deutschsprachigen Länder“ an dieser Stelle ihrem langjährigen Vorsitzenden, Herrn Karl Britz.

Ein besonderer Dank gilt dem Leiter des Rechenzentrums der Katholischen Universität Eichstätt, Dr. Wolfgang A. Slaby, der zunächst zusammen mit Prof. Dr. Helmut Werner, dem verdienstvollen Begründer der rechnergestützten Übertragung in die Blindenschrift, und seit 1980 selbstständig das Kernstück der Programme zur Konvertierung von Texten in die deutsche Blindenkurzschrift entwickelt hat.

Herr Dr. Slaby hat sich auch diesmal wieder bereit erklärt, die Neuerungen in das Programm einzuarbeiten.

In Weiterführung der von Carl Strehl begründeten „Marburger Systematiken der Blindenschrift“ legt die „Brailleschriftkommission der deutschsprachigen Länder“ den Anwendern, Pädagogen und Druckereien diese systematische Darstellung der deutschen Blindenbasisschrift, der Blindenvoll- und -kurzschrift vor.

Die Kommission hofft, mit der Vereinfachung der Regeln und deren Anwendung einen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass die Anwender die deutsche Blindenvoll- und -kurzschrift auch künftig für beruf‌liche und private Zwecke einsetzen können. Sie appelliert an alle zuständigen Stellen und die Pädagogen, den Schülerinnen und Schülern mit dem Unterricht in Voll- und Kurzschrift eine gute Grundlage für schnelles Schreiben und flüssiges Lesen der Blindenschrift zu vermitteln, damit die Schulabgänger ihren beruf‌lichen Aufgaben gewachsen sind und in der Freizeit Freude am Lesen bekommen können.

Wien, den 30. Januar 1998

Brailleschriftkommission der deutschsprachigen Länder.
Martin Altmaier, Bonn
Peter Brass, Berlin
Karl Britz, Marburg
Jörn Ernst, Marburg
Richard Heuer gen. Hallmann, Hagen
Margit Hoefert, Düren
Petra Joas, Veitshöchheim
Martin Klein, Hannover
Irene Lämmle, Wernigerode
Rudi Leopold, Witten
Ernst-Dietrich Lorenz, Hannover
Renate Lorenz, Hannover
Rose-Marie Lüthi-Schoorens, St. Gallen
Günther Meier (Vorsitzender), Düren
Norbert Müller, Weil am Rhein
Erich Schmid, Wien
Thomas Schwyter, Zürich
Wolfgang A. Slaby, Eichstätt
Siegfried Tschirner, Leipzig
Rainer F. V. Witte, Marburg

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